Sep 22, 2011 Pedro May Asien, China, 0
“Fremde beschweren sich in China über vieles, aber über das Essen beschwert sich niemand”, sagt Yü Yi vom Goetheinstitut in Peking, die von berufs wegen viel Kontakt mit Ausländern pflegt.
Lediglich die Grenzen zwischen Obsession und Dekadenz sind fließend. Die Gestaltung und Zubereitung der Speisen hat eine 2500 Jahre alte Geschichte. Schon für Konfuzius (ca. 551 – 479 v. u. Z. , eigentlicher Name Kong Qui) war der Genuss durch Essen und Trinken ein wichtiger Bestandteil gesellschaftlicher Prozesse. “Die Freude am Essen ist das erste Glück”, soll er gesagt haben.
Der Vorzeigephilosoph setzte Standards für die Tischetikette und für die Zubereitung von Speisen. Seine Idee war es, alles Essbare in so kleine Stücke zu schneiden, dass diese mit Stäbchen, ohne Messer stressfrei gegessen werden können. Desweiteren sollen Farbe und Konsistenz miteinander harmonieren.
Viele, selbst für Europäer unbekannte Speisen, sind sehr appetitanregend zubereitet. Nicht nur Sushigerichte sind wahre essbare Kunstwerke, die das Abenteuer Essen zu einer Lustveranstaltung machen. Spaß am Essen werden aber nur jene erfahren, die bereit sind Vorurteile und Ekel bezüglich unbekannter Speisezutaten abzulegen. Wer Mut hat, wird belohnt!
Europäer werden mit Sicherheit an den ersten Tagen ihres Chinaaufenthaltes mit den hunderten unbekannten Speisen überfordert sein. Insbesondere wenn es um die Bestimmung der Zutaten geht.
In China herrscht die weit verbreitete Meinung, dass die Kantonesen im Süden Chinas besondere Feinschmecker sind. Das unendlich große Speiseangebot in China, im viertgrößten Staat der Welt, ist in jeder Region sehr unterschiedlich.
Im Süden wird zu den Speisen häufig Reis gegessen, im Norden (Peking, Shenyang) erfreut man sich gefüllter Teigtaschen, diverser Knödelvarianten und Nudeln. Im islamisch geprägten Nordwesten (Urumqi) schmeckt Hammelfleisch angeblich am Besten. Jene Küstenbewohner im Osten und Süden Chinas (Hongkong, Dandong) sind besonders stolz auf auf ihre Meerestiere wie Fisch und Schalentiere, eigentlich auf alles was essbares im Meer zu finden ist. Von Seegras bis Seegurken. .
Die Tischettikette unterscheidet sich in Puncto Tischmanieren gewaltig von jenen in Europa. Suppen werden geschlürft, lautes Schmatzen ist ein Zeichen der Anerkennung. Flugreisende sollten einen Blick in die Firstclass werfen. Repräsentative Geschäftsleute mit schwarzen Anzügen und Kravatte rülbsen und schmatzen hier nach Herzenslust. Ein Kompliment an den Cateringservice.
Ähnlich wie in der arabischen Kultur ist die Selbstverständlichkeit alle Speisen miteinander zu teilen. Die westliche Sitte, dass jeder für sich bestellt, wird ein Chinese wahrscheinlich als egoistisch auslegen. Alle durch den Gastgeber bestellen Gerichte werden gleichzeitig serviert und in die Mitte eines großen runden Tisches mit einer Drehscheibe aus Glas gestellt, wo sich jeder bedienen kann.
Essen in einem offizielen Rahmen werden von vielen Trinksprüchen begleitet. Diese fallen je nach Gesellschaft mehr oder weniger interlektuell und herzlich aus. Wer die Brücke zwischen lobenden Worten und humorvollen Geprächen schafft, ist ein gern gesehener Gast.
Geschäftsesssen können mehrere Stunden dauern und sind von großen Mengen Bier gegleitet. Schmaps und Wein werden selten getrunken. Dafür steht schwaches Bier (3,1 %) in unbegrenzten Mengen zur Verfügung. Sicherlich ist es für den europäischen Gast beruhigend, dass das schwache Bier es selbst nach 3 Litern noch erlaubt kontrollierte Gespräche zu führen. Denn der Gastgeber misst seine persönliche Stärke gerne nach der getrunkenen Menge Bier. Beim Ex-Trinken auf Zeit, mit einem Chinesen, wird auch ein bayerischer Stammtischbruder an seiner Leistungsgrenze ankommen. Allein die Menge zählt!
Wahrscheinlich wird kein Land dieser Welt mit dem reichhaltigen Speiseangebot Chinas mithalten können. Hunderte, wenn nicht tausende unbekannte Speisen warten darauf entdeckt zu werden. Es sind nicht nur die exotischen Speisen wie Seidenraupen, die unsere europäischen Geschmacksnerven neugierig machen, sondern es ist auch die extreme Vielzahl an vegetarischen Gerichten, die jede andere von mir kennengelernte Küche in den Schatten stellt.
Lediglich das Frühstück wird selbst hardgesottenen Chinakennern den Appetit verderben. Denn außerhalb internationaler Hotels unterscheidet sich das Frühstück kaum vom Mittag- und Abendessen. Ein Salat mit frittierten Teigtaschen zum Frühstück ist auf alle Fälle für Nichtchinesen gewöhnungsbedürftig.
Selbstverständlich kann China alle Stereotype eines Reisenden bestätigen. Es ist richtig, dass Affen, Hunde, Katzen und andere in Europa üblichen Haustiere auf der Speisekarte stehen. Hundefleisch und Meerschweinchen werden z. B gerne in den Garküchen Hongkongs angeboten.
Einen exelenten Überblick über das verrückte Speiseangebotes des riesigen Landes China bietet der Donghuamen Nachtmarkt (Donghuamen Dajie) im Zentrum von Peking.
Das kulinarische Sammelsurium in der Nähe des Kaiserpalastes ist schon wegen dem ganzen nächtlichen Innenstadttrubel ein absolutes Must eines jeden Peking Besuches. Lamm- Rinder- und Hühnerspieße, Maiskolben, Nieren und stinkender Tofu (doufu) sind auf dem nach Einbruch der Dunkelheit stattfindenden Marktes keinesfalls die Sehenwürdigkeit.
Fremde werde sich vielmehr von all den mehr oder weniger geschmackvoll ausgestellten exotischen „Gaumenfreuden“ irritiert fühlen. Eine vollständige Auflistung der asiatischen Spezialitäten ist kaum möglich. Hier ein kurzer Versuch:
Die meisten Tiere werden roh ausgestellt und beim Kauf frisch frittiert oder gegrillt. Außerhalb Asiens denken viele, dass die oben aufgeführten Tiere und Insekten zum alltäglichen Speiseplan eines typischen Chinesen gehört. Das ist ein absolutes Vorurteil! Auch für chinesische Familien werden diese kostenintensiven Spezialitäten meist nur zu Festlichkeiten oder anderen besonderen Gelegenheiten gegessen. So wie ein Bayer auch nicht jeden Tag eine Weißwurst zum Frühstück verdrückt. Mittlerweile gibt es mit Sicherheit auch mehr Haushunde als gegrillte Hunde.
Pekingkenner berichten, dass dieser Markt im Gegensatz anderer Nachtmärkte in einem Hutong (traditionele Wohnsiedlung mit einstöckigen Häusern) ein sehr geringes Angebot hat, sehr kommerzialisiert und teuer ist. Wenn man die Preise für aktuelle fake Mobiltelefone vergleicht, so sind ca. 5 Euro für einen Schlangenspieß in der Tat sehr teuer. Trotzdem gibt der leicht zu findende Markt im Herzen von Peking einen guten Überblick über die chinesische Welt der Delikatessen.
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