Aug 23, 2010 Pedro May Asien, Syrien, 1
Syrien hat eine der kompliziertesten & teuersten Grenzen der Welt. Amüsant ist das Prozedere auf alle Fälle. Aber auch nervenzerstörend. Benzin- & Dieselsteuer, Ausreisesteuer, Triptik vs. Carnet de Passage und die alternative der Schiffsanreise sind Grundsatzüberlegungen für Autoreisende.
Grenzübertritt Türkei – Syrien
Grenze Bab al Hawa, östlich vom türkischen Iskenderun mit dem eigenen PKW & mit Hund. Wer es nicht selbst erlebt hat, glaubt es nicht. Ein Prozedere wie im Roman, dass auch für Nicht-Selbstfahrer interessant ist.
Es gibt viele Gründe nach Syrien zu fahren. Für die einen ist es der Ursprung der Omayadenkultur, für die anderen sind es die pitturesken römischen Ausgrabungsstätten wie Palmyra. Wie auch immer, Selbstfahrer die über die Türkei mit dem eigenen PKW anreisen, werden aber mit großer Sicherheit mehr über die Grenzübertrittsformalitäten als über Städte wie Damaskus sprechen. Mit gutem Grund.
Trotz all der vielen Grenzübertritte die ich je in meinem Leben getätigt habe, ist die Einreise nach Syrien mit dem eigenen PKW in Bezug auf Komplexität kaum zu toppen. Nur jener von Marokko nach Mauretanien hat länger gedauert. Nähmlich 3 Tage, im Ramadan, im Jahre 1995.
Reisende die mit dem eigenen Fahrzeug in Syrien einreisen wollen, sollte sich nicht von dem im Folgenden dargestellten Prozedere abschrecken lassen. Letztendlich hat es doch noch jeder Reisende irgendwie geschafft. Außerdem stellt die chaosartige Bürokratie an den Toren der arabischen Welt ein sehr gutes Exampel dafür, warum die arabische Welt nur wenige Tendenzen zu einer Verbesserung ihrer eigenen Lebensumstände zeigt. Eine Ausnahme stellen selbstverständlich die arabischen Emirate, etc. dar. Man stelle sich nur vor, welche bürokratischen Hürden zu nehmen sind, um im Notfall schnell in dem jeweils besten Krankenhaus behandelt zu werden. Nichts ist für einen Staat einfacher, als eine KFZ-Versicherung (Grüne Versicherungskarte ist ungültig) und eine vorübergehende Einreisegenehmigung (Triptic) für Touristen mit wenigen Handgriffen an den Grenze des Landes auszustellen. Insbesondere im PC-Zeitalter 2010.
Die nun folgende Auflistung soll Reisenden mit eigenem Fahrzeug und evtl. einem Hund an Board die Einreise erklären. Erleichtern kann sie aber nur ein stetiges Lächeln. Keinesfalls darf man Ungedult erkennen lassen. In der arabischen Welt gilt stets, wer mehr Zeit hat sitzt am längeren Hebel. Und die Zöllner haben alle Zeit der Welt!
A Ausreise aus der Türkei
Die Ausreise aus der Türkei verläuft vizeverse der Einreise (z. B. aus Griechenland, Bulgarien, etc.). Alles in allem sehr einfach und zügig. Die türkischen Behörden verfügen immerhin fast an allen Grenzen über Passscanner.
B Einreise nach Syrien
“Welcome to Syria”, wird das erste sein was man zu hören bekommt. Nun heißt es gute Nerven zu bewahren und keinesfalls Ungeduld zeigen. Bei einer Einreise in der Zeit des Ramadan empfiehlt es sich, erst nach den offiziellen Essenszeiten einzureisen. Hungrige Beamte = schlecht gelaunte Beamte! Formale Kleidung, wie lange Hose, etc. und arabische Grußformeln steigern den Respekt und entspannen die Situation.
a) Alle Reiseteilnehmer füllen eine grüne Einreisekarte aus. Eigentlich interessiert sich kein Polizist wirklich für die Einreisekarte. Aber auf das ausgefüllte Formular besteht man trotzdem. Abzugeben ist die grüne Karte auf jedenfalls nirgends. Die Daten (Name des Vater und der Mutter, etc.) sind schließlich dem Polizisten mündlich vorzutragen. Dieser versucht dann das gesprochene in arabischen Buchstaben in den Computer zu pressen. Kugelschreiber zum Ausfüllen der Einreisekarte sind selbst mitzubringen. Aufpassen, dass ab nun kein Polizeibeamter oder Zöllner den Kugelschreiber „aus versehen“ in die eigene Tasche steckt.
b) Alle Reiseteilnehmer gehen zur Polizei und legen ihre Reisepässe mit dem gültigen Syrienvisum vor. Die Polizei stempelt die Einreisestempel und schreibt einen Teil der Daten auf der grünen Einreisekarte mit dem Computer per Zweifingersuchsystem ab. Rückfragen sind üblich, weil sich manch ein Polizist nur ungern die Mühe macht die Daten selbst aus dem Pass oder von der grünen Einreisekarte abzulesen. Außerdem ist nicht jeder Beamte der latainischen Schrift mächtig.
Fahrzeugdeklarationsformular vom Zoll Innendienst ausfüllen lassen. Persönliche Daten (Name, Geburtsdatum) und jene des Fahrzeugs (Fahrgestellnummer, Kennzeichen, Erstzulassung, etc.) sind selbst vorzutragen. Der Zöllner kann keine lateinische Schrift lesen und übersetzt stattdessen gesprochenes ins Arabische. Das Fahrzeugdeklarationsformular liegt lediglich in arabischer Schrift vor. Das Formular und die Arbeit des Zoll Innendienstbeamten kosten 1 Dollar und werden mit einer Wertmarke auf dem Fahrzeugdeklarationsformular bestätigt. Es werden nur Dollarnoten angenommen. Gut dass es 1 Dollarnoten gibt. Schlecht, dass es keine 1 Euronoten gibt. Wer also einen 5 Euroschein zum Zahlen der „Bearbeitungsgebühr“ reicht, bekommt wahrscheinlich 1 Dollarnoten oder syrische Pfund (Syrian Pounds) raus. Bestehen sollte man jedenfalls darauf, sonst sind 4 Euro Bakschisch.
Das vom Zoll Innendienstbeamten ausgefüllte und gestempelte Formular vom Zoll Außendienstbeamten vorzeigen und gegenzeichnen lassen. Einer dieser Zollaußendienstbeamte genehmigen dann eine 1wöchige, 2wöchige, 3wöchige oder max. 4wöchige Einreise. Es macht Sinn, dem Zoll Außendienstbeamten seine gewünschte Reisezeit vorzutragen. Dieser unterschreibt letztendlich das Fahrzeugdeklarationsformular und versieht es mit dem Vermerk der gewünschten Aufenthaltsdauer. Selbstverständlich alles in arabischer Schrift! Die Zoll Außendienstbeamten sind an der tatsächlichen Grenzabfertigung (KFZ-Kontrolle) vor dem Zollgebäude zu finden. Diese sind mit Sicherheit soeben mit der Gepäckkontrolle und einer hitzigen Diskussionen beschäftigt.
a) Das vom Zoll Außendienstbeamten unterzeichnete Formular ist erneut dem Zoll Innendienstbeamten vorzuzeigen. Dieser überträgt dann die genehmigte Fahrzeugeinreisedauer in das Computersystem.
b) Anschließend berechnet er den benötigten Geldbetrag. Dieser richtet sich nach dem Motortyp (Benzin oder Diesel), nach der Einreisedauer und ob ein Carnet de Passage vorliegt oder nicht. Ein Carnet de Passage stellt z. B. der ADAC aus. Persönlich empfehle ich all jenen die nur einmal nach Syrien einreisen wollen, sich kein Carnet de Passage durch den ADAC ausstellen zu lassen. Die Kosten für ein Carnet de Passage sind vielfach höher als ein Triptik an der syrischen Grenze kostet. Selbst wer eine Weiterreise nach Jordanien und eine Wiedereinreise nach Syrien plant kommt mit dem zweimaligen Entrichten der Triptikgebühren günstiger weg. Preise siehe unten. Außerdem entfällt so eine Bürgschaft die bei der Ausstellung eines Carnet de Passage durch einen Automobilclub in Deutschland zu hinterlegen wäre. Eine Einreise für Dieselfahrzeuge in den Libanon ist im übrigen laut Mailverkehr (Juni 2010) mit der libanesischen Botschaft in Berlin bis auf weiteres verboten!
Konkret sind folgende Beträge (lt. Wechselkurs am 13.08.2010) für eine 2wöchige Einfuhr eines Dieselfahrzeuges (Landrover Defender) zu entrichten:
Triptik (vorübergehende Fahrzeugeinreisegehmigung) als Carnet de Passage Ersatz, unabhängig von der Aufenthaltsdauer:
62 € + 2 € Bearbeitungsgebühr (Wertmarke), also gesamt 64 €.
KFZ Versicherung für Syrien, für 1 Monat. Die grüne Versicherungskarte ist in Syrien nicht gültig, unabhängig von der genehmigten Aufenthaltsdauer ist die Versicherung immer für 1 Monat abzuschließen. Eine geringere Versicherungszeit für weniger Entgelt kann nicht abgeschlossen werden. 42 € + 2 € Bearbeitungsgebühr (Wertmarke), also gesamt 44 €.
Dieselsteuer, zum Ausgleich des mehr oder weniger steuerfreien Kraftstoffes an den Tankstellen in Syrien. Im August 2010 kostet 1 Liter Diesel 20 Syrische Pfund = 30 Cent, 1 Liter Benzin 40 Syrische Lira = 60 Cent. Die Kraftstoffsteuer (Diesel oder Benzin) richtet sich nach der genehmigten Aufenthaltsdauer. Eine 2 wöchige Einfuhr eines Dieselfahrzeuges kostet 156 € + 2 € Bearbeitungsgebühr, also gesamt 158 €.
Summasumarum
kostet somit die 2wöchtige Einreise eines Dieselfahrzeuges (inklusiv Triptik, KFZ Versicherung, Dieselsteuer) 266 €.
Der Zoll Innendienstbeamte sendet den Fahrzeugbesitzer mit einer vereinfachten Aufstellung der Kosten (auf einem Schmierpapier) zum Bankschalter und bittet darum die oben beschriebenen Gebühren für Triptik, Dieselsteuer, KFZ Versicherung in Syrischen Pfund zu wechseln. Die Betragsberechnungen werden in der lokalen Währung durchgeführt. Devisen werden nicht akzeptiert!
Im Zollgebäude am türkisch-syrischen Grenzübergang in Bab al Hawa gibt es nur ein einziges konkurrenzloses Versicherungsbüro. In diesem Versicherungsbüro wird ein Computerausdruck der Versicherungspolice mit der für 1 Monat geltenden Versicherung ausgestellt. In diesem sind die Fahrzeughalternamen und die Gültigkeitsdauer in lateinischer Schrift zu lesen. Sonstigen Daten sind in arabischer Schrift festgehalten.
Mit der Versicherungspolice und dem syrischen Geldpaket stellt man sich erneut am Zoll Innendienst an und lässt sich nun das Triptik ausstellen. Anschließend ist auch noch die Dieselsteuer (Dieseltax) zu zahlen. Zuletzt werden vom Zoll Innendienst alle neu erworbenen Dokumente (Dieseltax, Triptik, Versicherung), sowie der Pass des Fahrers kopiert. Vorausgesetzt der Kopierer funktioniert. Wie auch immer, der Zoll Innendienstbeamte schreibt ohnehin noch mal alle Daten aller Dokumente per PC ab.
a) Dokumentenkontrolle: Dem Zoll Außendienstbeamten, den man ja schon bei der Genehmigung der Einreisedauer kennengelernt hat, zeigt man alle wichtigen Dokumente wie z. B. die Pässe aller Reisenden, Versicherungspolice, Triptik, Quittung der bezahlten Dieselsteuer, etc.. Mit diesem verschwindet man dann in einem kleinen Kämmerlein an der KFZ Kontrollstelle und diktiert dann einige Daten (Name des Fahrer, Kennzeichen, etc.), die in einem großen Buch per Hand in arabischer Schrift eingetragen werden.
b) Fahrzeugkontrolle: Es werden alle Fahrzeuge kontrolliert! Kofferraum auf, rascher Blick in die eine oder andere Plastiktüte. Es macht den Eindruck, als würden die Einheimischen (Syrer) stärker kontrolliert als klassische Touristen. Besonderen Kontrollen sind Exilsyrer (Syrer mit EU-Autokennzeichen) unterworfen. Logisch, die bringen häufig zollpflichtige “Geschenke” (Elektronik, Alkohol, etc.) für ihre Familien ins Land. Allerdings häufig in rauen Mengen, was zu aufregenden Diskussionen zwischen den Reisenden und dem Zollbeamten führt. Bei sommerlichen 40 Grad im Schatten geht sowas schnell an die Substanz der Gedult.
Unsere Hündin Aisha hat letztendlich niemand interessiert. Die Türken haben sie im Auto nicht gesehen, die Syrer haben sie davon abgehalten ins Auto einzusteigen und intensivere Gepäckkontrollen zu zelebrieren. Der Zollbeamte ist regelrecht vor dem 35 kg Tier zurückgeschreckt als er sie gesehen hat. Araber haben meist eine große Angst/ Abneigung vor Hunden.
c)
Triptikunterschrift: Die erfolgreiche Zollkontrolle (Datenabschreibung in ein großes Buch + Gepäckkontrolle) wird mit einer Unterschrift auf dem Triptik bescheinigt.
Ca. 1 Km nach dem eigentlichen ( überdachten) Grenzübergang erreicht man einen Kontrollposten. Hier kontrolliert
a) der Zoll (blaues Hemd) die Fahrzeugpapiere (Fahrzeugschein, Triptik, Versicherung, Dieselsteuer) und schreibt sich die Kennzeichendaten in ein großes Buch, danach spricht er den einzigen englischen Satz “Welcome to Syria” aus. Das bedeutet, dass man 50 Meter zum nächsten Kontrollposten (Polizei) fahren soll.
b) die Polizei (weißes Hemd) die Pässe. Vorsichtshalber muss man noch mal seinen Namen und seine Nationalität nennen. Obwohl der Polizist den Pass in der Hand hält werden alle Reiseteilnehmer befragt. Nach diesem kleinen Smalltalk heißt es dann wieder „Welcome in Syria“ und eine einfache Schiebeschranke öffnet sich.
Je nach Warteschlange und Außentemperatur (Mittags bis Nachmittags hat es in Bab al Hawa im Sommer teilweise über 40 Grad) kann diese letzte Kontrolle stressfei und zügig von statten gehen.
Ganz so ruhig wie hier beschrieben verläuft das ganze Prozedere und das immer wieder erneutes Anstellen auf keinen Fall. Denn immer wieder drängeln sich türkische und syrische LKW-Fahrer dazwischen. Dokumente werden von erfahrenen Grenzgängern von den hinteren Reihen über die Köpfe der wartenden Schlange drüber gereicht. Kleinere Geldscheine, aber auch diverse andere kleine „Mitbringsel“ wechseln den Besitzer. Dies lässt sich insbesondere bei türkischen Lastkraftwagenfahrern gut beobachten. Evtl. sind auch europäische Autoreisende mit kleinen, nicht aufdringlichen Bakschisch-Gaben (bitte kein Geld – sonst wirds zur Gewohnheit und die Geldforderungen werden immer höher!) gut bedient. Kugelschreiber werden sicherlich gerne angenommen. Auch eine Fliegenklatsche könnte ich mir aus gutem Grund gut vorstellen.
Gespräche mit anderen Autoreisenden haben eine durchschnittliche Einreisedauer mit einem KFZ von ca. 2,5 bis 3 Stunden ergeben. Reisende die ohne privates Fahrzeug einreisen benötigen in der Regel ca. 45 Minuten. Die Ausreise aus der Türkei ist in diesen Zeitangaben bereits inklusive. Wer öfter über die gleiche Grenze reist wird das Prozedere mit Sicherheit schneller schaffen als ein Anfänger wie ich!
Zur Schiffsanreise nach Syrien mit dem eigenen Fahrzeug von Venedig in Italien nach Tartus in Syrien
seien an dieser Stelle noch ein paar Worte gesagt.
Seit Mai 2010 gibt es eine sehr praktische Autofährverbindung zwischen Venedig und Tartus. Bei dieser Autofähre handelt es sich um eine Kombination aus Frachtschiff und Autofähre mit geschätzten 80 Gästebetten und einem Restaurant an Board. Die Fahrstrecke die einer Rundreise im Uhrzeigersinn gleicht, verläuft Venedig – Tartus – Alexandria – Venedig. Das bedeutet, dass die Hinreise von Venedig nach Tartus schneller verläuft als der Rückweg via Alexandria in Ägypten. Grund für diese neue Fährverbindung ist die stetige Zunahme der Bedeutung des Hafens in Venedig. Venedig soll einer der bedeutendsten europäischen Häfen für den Import von Obst und Gemüse werden. Deshalb wird auf der Rückreise von Syrien in Ägypten ein Zwischenstopp eingelegt und Gemüse verladen. Der Fahrzeugtransport für Touristen und Gastarbeiter aus dem Nahen Osten deckt sozusagen die Kosten für die Reise von Europa nach Asien und Nordafrika.
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Habe mit Interesse die Abhandlungen in Sachen Zoll + Grenzpolizei bzw.
Versicherungen gelesen.
Meine Ute und ich sind seit zwanzig Jahren in der Sahara off Road.
Das schwirigste Land ist für uns immer Libyen gewesen.
Bei den beschriebenen Grenzabfertigungen haben wir uns immer einen Help genommen, wir selber haben entspannt Tee oder Kaffee getrunken.
Es hat uns 20 $ gekostet + Staatsgebühren, aber keine weiteren Nerven.
Wobei wir IMMER am Auto die Gastflagge ziehen. Die Abschlußkontrollen haben wir mit Allah u akba und dem militärischen Gruß passiert.
Jede Abfertigung schlug mit 10 Kugelschreiber und 2 Plüschtieren zu Buche
oder 2 Dosen Cola. In Algerien immer 4 Dosen Hofbräu-Haus.M.f.G.
Engbert, Karlheinz