Sep 28, 2018 Pedro May 2018 – GLETSCHERBEGEHUNG – Nationalpark Berchtesgaden (D), Allgemein, Mediathek, Videos, Deutschland, EU + TÜRKEI: Religion, Kunst, Kultur, Umwelt, 0
Freiluftklassenzimmer – Ein Schulprojekt mit WEITBLICK.
Im September 2018 waren Schüler der achten Jahrgangsstufe der Realschule Traunreut und der Mittelschule Siegsdorf im Rahmen des von Lehrerin Veronika Helfmeyer initiierten Umweltprojektes „Weitblick“ vier Tage lang in den Berchtesgadener Alpen unterwegs. Wissenschaftlich begleitet wurden sie dabei von einem Mitarbeiter des Lehrstuhles für Hydrogeologie der Technischen Universität München.
Ein für die Jahreszeit ungewöhnlich milder Wind pustete den Himmel wolkenfrei und die Sonne schickte erste wärmende Strahlen über die Bergspitzen, als sich die 24 Mädchen und Jungen beider Schulen zusammen mit ihren Lehrkräften Frau Diana Kapfhammer, Frau Veronika Helfmeyer, Herrn Pedro May und dem Hydrogeologen Herrn Florian Heine auf den Weg zum Blaueisgletscher machten. Zunächst auf einem Forstweg, später dann auf einem wildromantischen Pfad, der sich über Stufen und Steine durch den Wald hinaufwand, erhielten einige der Schüler_innen das erste Mal in ihrem Leben einen Eindruck davon, was es heißt, mehr als 1000 Höhenmeter aus eigener Kraft zu überwinden. Diese erste Anstrengung wurde schließlich auf der Blaueishütte belohnt – mit fantastischer Aussicht und Brotzeit. Nach einer wohlverdienten Pause bewältigten die Schüler_innen auch noch die letzte Etappe bis ganz hinauf zum Gletscher.
Das „ewige“ Eis schmilzt Jahr für Jahr
Hier, vor Ort im „ewigen“ Eis, konnten sie selbst sehen, welche Auswirkungen der Klimawandel hat, denn der Blaueisgletscher wird aufgrund seiner relativ geringen Höhenlage von Jahr zu Jahr kleiner. Hydrogeologe Florian Heine erklärte anschaulich die Entstehung unserer Alpen und wie die Gletscher zur Landschaftsbildung beitrugen. Im Verlaufe der Wanderung erarbeiteten die Schüler dann auch intensiv, wodurch der Mensch den Klimawandel beschleunigt und welche Auswirkungen dieser hat.
Da die Schüler_innen das erste Mal bis zu einem richtigen Gletscher gewandert waren und Spaß daran hatten, diesen zu entdecken, nahm der Unterricht in der „Gletscherschule“ deutlich mehr Zeit in Anspruch als ursprünglich eingeplant. Die letzten Kilometer des Rückweges wurden daher mit dem Linienbus abgekürzt, worüber angesichts glühender Füße und ungewohnt schwerer Rucksäcke keiner der Schüler_innen böse war. Nach dem Abendessen besiegten die jungen Gletscherforscher dann die Lehrer auch noch vernichtend beim Kartenspielen – der erste Tag war also ein voller Erfolg.
Einblick in Tausende Jahre Erdgeschichte
Nach einem heftigen Gewitter in der Nacht, begrüßte der Mittwoch die Projektgruppe mit blauem Himmel, klarer Luft und blitzblank abgewaschenen Bergen. Gestärkt vom Frühstück machten sich die Schüler_innen auf den Weg zur Wimbachgrieshütte, dem heutigen Tagesziel. Zunächst führte der Weg durch die tiefe, wassertosende Wimbachklamm, die mit ihren beeindruckenden Felsformationen einen hervorragenden Einblick in Jahrtausende der Erdgeschichte bot. Die Gruppe folgte anschließend dem Weg flussaufwärts, bis zu seinem Ursprung. Gespeist wird der Wimbach nämlich vor allem aus einer Quelle, die mitten im Geröll zutage tritt. An dieser Stelle legte die Projektgruppe eine kleine Pause ein und lauschte dem Fachmann der TU und den Lehrkräften, die mit ihnen zusammen den Kreislauf des Wassers erarbeiteten und Möglichkeiten, wie man es schützen und zur Energiegewinnung nutzen kann. Herr Heine ging insbesondere darauf ein, dass es aufgrund geologischer Vorgänge besonders in Bayern in tiefen Erdschichten viel heißes Wasser gibt und wie man dieses mit Hilfe von Geothermie nutzen kann.
Geothermie in Bayern
Da Traunreut über ein großes Geothermiekraftwerk verfügt, war der Begriff vielen Schülern bereits bekannt. Was genau dort aber gemacht wird, wussten viele nicht. Auch die Gewächshäuser in Kirchweidach kannten viele der Schüler und waren erstaunt, dass auch diese mit Hilfe von Geothermie beheizt werden. Im Rahmen des Unterrichts in Haushalt und Ernährung soll daher noch in diesem Schuljahr auch ein Unterrichtsbesuch dorthin erfolgen.
Nachtwanderung mit Aha-Effekt
Weiter ging die Wanderung bis tief hinein ins Wimbachgries, das auf der einen Seite vom Massiv des Hochkalters und auf der anderen Seite vom Watzmann begrenzt wird. Begeistert bestaunten die Schüler_innen den sagenumwobenen Gipfel, der das Wahrzeichen der Berchtesgadener Alpen ist. Schließlich erreichte die Gruppe die wunderschön gelegene Wimbachgrieshütte, in welcher die Nacht verbracht werden sollte. Nach einem üppigen Abendessen machten sich einige Schüler und Lehrer noch zu einer kleinen nächtlichen Wanderung unter dem klaren Sternenhimmel auf. Ehe sie es sich versahen, erfuhren die Jugendlichen, wozu man die vielen Satelliten braucht, die man mit bloßem Auge gut erkennen konnte und rechneten (freiwillig) aus, wie weit das Licht in einer Stunde kommt – es ist schon ein Kreuz, wenn man mit Lehrern unterwegs ist…
Der nächste Tag war zugleich der letzte, an dem gewandert wurde und noch einmal ging es auf einem verschlungenen, schmalen Weg durch das Wimbachgries ein Stückchen höher hinauf, bis zum Trischübelpass. Für dieses Projekt sollte das der höchste Punkt sein und nach einer kleinen Pause traten die jungen Expeditionsteilnehmer den Rückweg an. Nach einem langen Marsch zurück durch das karge, beeindruckende Wimbachgries erfolgte schließlich der Abschied von Herrn Heine, den die Schüler sehr ins Herz geschlossen hatten. Genau erkundigten sie sich nach dem Tag der offenen Tür an der TU-München und kündigten ihren Besuch dort an. Durch seine lockere und kompetente Art gelang es Herrn Heine, das Interesse vieler Schüler zu wecken und natürlich tauchte auch die Frage auf, wann er denn wieder kommen würde.
Für die Schüler keine Frage: „Das machen wir nächstes Jahr gleich wieder!“
Es ist nicht selbstverständlich, dass sich eine weltweit führende Universität die Zeit nimmt, Schulprojekte zu begleiten. Von daher gilt ganz besonderer Dank auch Herrn Dr. Kai Zosseder, dem Arbeitsgruppenleiter der Geothermal Energy Group und auch Herrn Prof. Dr. Florian Einsiedl, dem Leiter des Lehrstuhles für Hydrogeologie der TU München, durch deren freundliche und hilfsbereite Unterstützung dieses Projekt enorm bereichert wurde.
Abgerundet wurde die viertägige Exkursion mit einem Besuch im Haus der Berge in Berchtesgaden, wo die Schüler_innen viel Wissenswertes über den Lebensraum Alpen erfuhren. So ging am Freitag ein Projekt zu Ende, das viele der Teilnehmer am liebsten sofort wiederholt hätten und das auch deren Wahrnehmung etwas verändert hat. Die Schüler_innen erfuhren viel über die Bedeutung der Alpen, über Ursachen und Folgen des Klimawandels und über zukunftsweisende Energieprojekte, aber erst durch die Auseinandersetzung mit diesen Themen direkt vor Ort, durch das unmittelbare Erleben der Natur, verknüpft mit der körperlichen Anstrengung und dem Stolz über die erbrachte eigene Leistung, sollte nicht nur Wissen vermittelt, sondern auch der Wunsch geweckt werden, diese Natur zu schützen und zu erhalten. Das war das eigentliche Ziel dieses Projektes, denn nur für etwas, das man selbst schätzt, setzt man sich aus eigenem Antrieb heraus ein.
Und noch etwas soll hier Erwähnung finden: Dieses Projekt wurde harmonisch in einer Kooperation zweier Schularten durchgeführt – der Realschule Traunreut und der Mittelschule Siegsdorf. Es war schön zu sehen, wie schnell junge Menschen unvoreingenommen und mit Freude aufeinander zugehen können.
Text: Veronika Helfmeyer
Fotos: Diana Kapfhammer
Video: Pedro May
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