Feb 13, 2015 Pedro May 2015 – TAIGA GOLD Holzberufe in Oberbayern & Holzwirtschaft in Sibirien (Minus 37 Grad Expedition: Irkutsk, Baikalsee), Allgemein, Panorama, Asien, Russland (Asien), Europa, Deutschland, SCHWELLENLÄNDER: Schülerpraktika & Klimaschutz, 0
Es ist heiß im Flugzeug und eng. Im Rahmen des berufsorientierten Pasch-Projektes sind elf Schüler der Walter-Mohr-Realschule Traunreut in Begleitung ihrer drei Lehrkräfte Renate Klupp, Veronika Helfmeyer und Pedro May auf dem Weg nach Russland. Die Reise in die winterliche Weite Sibiriens beginnt mit stickiger Enge.
Nach einer knapp 24 stündigen Reise von Traunstein nach Irkutsk tritt die Projektgruppe erleichtert auf die Gangway der Aeroflot-Maschine hinaus und atmet auf, als ihnen zum ersten Mal die kalte, sibirische Winterluft um die Nase weht. Pünktlich zum Besuch der deutschen Schüler wurde es kalt. Die Tage und Wochen vorher war es zu warm für sibirische Verhältnisse und zu warm für Olga. “Wir werden alle depressiv und bekommen Kopfschmerzen”, erklärt die resolute Deutschlehrerin Olga Bucharowa. Sie ist die russische Projektleiterin, die alle am Flughafen in Empfang nimmt. Noch etwas zaghaft begrüßen die russischen Schüler ihre deutschen Gäste. Alle kennen sich bereits aus zahlreichen Mails, aber es ist eben doch etwas anderes, sich das erste Mal persönlich zu begegnen. Beim Abschied wird es keine Spur mehr von Unsicherheit geben, dafür herzliche Umarmungen und auch einige Tränen.
Die Reise ins winterliche Sibirien ist die Fortsetzung des seit Jahren bestehenden berufsorientierten Schüleraustauschs, der Jungen und Mädchen der Realschule Traunreut bereits bis nach China und in die Mongolei geführt hat. Das Projekt dieses Schuljahres trägt den Namen “Taiga-Gold” und beschäftigt sich inhaltlich mit dem Thema Holz.
Da die Berufsorientierung in jedem Projektjahr ein wichtiger Schwerpunkt ist, soll den Teilnehmern aber nicht nur ein Einblick in Sprache, Kultur und Lebensweise einer typische russischen Familie ermöglicht werden. Im parallel laufenden Kurs für Wirtschaftsenglisch erarbeiten daher sowohl die deutschen als auch die russischen Schüler bereits im Vorfeld Vorträge zu Berufen und Weiterbildungsmöglichkeiten im Bereich Holztechnik, -handel und -verarbeitung. Diese werden durch Referate von zwei Beamtinnen aus dem Forstministerium ergänzt. Es wird Russisch, Deutsch und Englisch gesprochen. Die Schüler helfen sich gegenseitig beim Übersetzen und arbeiten Hand in Hand. Anderntags stapfen die Projektteilnehmer bei Minus 26 Grad durch den knirschend kalten Schnee in den Wald. Wir besichtigen einen Forstbetrieb und lassen uns erklären, welche Maßnahmen die Irkutsker Behören treffen um die bedrohte Taiga zu schützen und aufzuforsten.
Hier wird die enorme Bedeutung des borealen Nadelwaldes und des Permafrostbodens für das Klima deutlich. Riesige Mengen CO2 sind hier gebunden. Wenn Permafrost im Sommer oberflächlich auftaut, werden bei der Zersetzung von organischem Material Kohlendioxid und Methan gebildet. Beim nächsten Gefrieren werden beide Kohlenstoffverbindungen wieder im gefrorenen Boden gespeichert. Die Temperatur im Permafrost der Nordhalbkugel ist in den letzten Jahrzehnten um zwei bis drei Grad gestiegen. Schätzungen ergeben eine Verringerung der Permafrostgebiete der Nordhemisphäre bis zum Jahre 2080 um ca. ein Drittel, was erhebliche Auswirkungen auf das weltweite Klima hätte. Schon heute wird durch die tauenden Permafrostböden mehr Methan freigesetzt, als gespeichert.
Die sibirische Taiga ist ein gewaltiger Rohstofflieferant. Das meiste Nutzholz aus der Taiga wird entweder nach China oder Japan exportiert, wo es weiterverarbeitet wird. Sicherlich finden viele der Produkte durch den globalisierten Markt letztlich auch den Weg nach Deutschland. In China hergestellte Möbel sind aus den Einrichtungshäusern in Europa nicht wegzudenken.
Eine Reise nach Sibirien bedeutet aber natürlich vor allem eines: das Erleben und Erspüren dieser außergewöhnlichen Landschaft. Daher macht sich die russisch-deutsche Reisegruppe gemeinsam auf den Weg zum Baikalsee. Wir wollen für zwei Tage auf der Insel Olchon bleiben. Hier leben das ganze Jahr über 1500 Menschen, die meisten von ihnen glauben an Schamanismus und betrachten die Insel als einen heiligen Ort. Der Baikalsee ist der größte Speicher offenen Trinkwassers der Erde. Größer als die Ostsee, nämlich 650 km lang, ist er im Winter so dick gefroren, dass man ihn mit Autos befahren kann. Nach einer staubigen Fahrt über unbefestigte Schotterpisten erreicht man schließlich das Seeufer: Eis – soweit das Auge reicht. Und direkt neben einem im Eis festgefrorenen Schiffswrack beginnt eine Eisautobahn über den See. Zwei Fahrspuren in jede Richtung. An einigen Stellen ist das Eis dunkel und durchsichtig, an anderen Bereichen glaubt man den über 1600 Meter tiefen Grund sehen zu können, so durchsichtig ist das Eis.
Die Insel Olchon ist ein Naturschutzgebiet und war früher deutlich stärker bewaldet, als jetzt. Die Insel erinnert vielerorts an eine Mondlandschaft. Wegen des trockenen Klimas und des häufig sehr starken Windes liegt kaum Schnee. Es ist klirrend kalt. Obwohl die Busse beheizt sind, frieren von innen dicke Eisblumen an die Scheiben. Der Abend klingt mit einer Begrüßung auf dem Schamanenfelsen aus, der den Burjaten heilig ist. Der Himmel färbt sich rot bis zum Horizont und bereits dieser Anblick lässt ahnen, welch spektakuläre Highlights am nächsten Tag zu erwarten sind. Das Thermometer fällt in der Nacht auf Minus 36 Grad.
Eine Fahrt über das Eis entlang der Steilküste gehört zu den Musts, wenn man im Winter den Baikalsee besucht. Meterlange Stalagtiten aus Eis hängen in Höhlen und glasklare, panzerdicke Eisscheiben säumen den Weg.
Es geht vorbei an Packeis und gefrorenen Wellen. Blickt man in die Ferne, kann man die zu Eis erstarrte Brandung des “kleinen Meeres” erkennen. So heißt der etwas schmalere Teilbereich zwischen Festland und Olchon. Dahinter erhebt sich ein stattliches Gebirge mit über 1800 m Höhe. Es gibt kleine Felsinseln, die vollständig mit Eis überzogen und vom Wind blankpoliert sind. Sie sehen aus wie die Kalksinterterrassen von Pamukkale in der Türkei – nur dass es hier 70 Grad kälter ist.
Ein Stück entfernt haben Fischer ein kleines, quadratisches Zelt auf dem Eis aufgeschlagen. Es riecht modrig. Von unten schimmert blaues Licht durch das Eis, in das einige Löcher gebohrt sind. Es gibt zwei Holzgestelle mit schmutzigen Stoffauflagen und einen kleinen Ofen. “Privatvergnügen” kommentiert Frau Bucharowa trocken. Was tut der Russe nicht alles, um an frischen Omul zu kommen. Das ist ein Fisch, der in allen möglichen Varianten gegessen wird und dem Russen so lieb ist, wie den Bayern ihr Leberkäs.
Die Rückkehr nach Irkutsk am nächsten Tag bringt eine neue Herausforderung: Ein Motorschaden bei Minus 24 Grad in einer Gegend, in der es im Umkreis von 100 km keine Autowerkstatt gibt, sorgt für tiefgekühlte Zehen und verlängert die Fahrt von sieben auf elf Stunden.
Nach einem Tag in den Gastfamilien schauen sich die Jugendlichen traditionelle Holzhäuser am Land an. Es wird deutlich, welche entscheidende Bedeutung Holzhäuser die Besiedelung Sibiriens haben. Vor allem die Fenster sind reich mit Schnitzereien verziert. Dies bietet eine ideale Hinführung zum Praktikumsteil des Projekts. In zwei Tagen bauen die Schüler des Lyzeums Nr. 3 in Irkutsk zusammen mit den Realschülern aus Traunreut ein Holzfenster nach traditionellem russischen Vorbild. Die praktische Arbeit beginnt mit einer Einführung in den Umgang mit Stemmeisen und Schnitzmesser.
Die Vertreterin der Stadtverwaltung Irkutsk, Frau Galina Badmain, gratuliert den Schülern zur gelungenen Arbeit. Die Stadt Irkutsk hat neben dem Minaralölkonzern BP das Projekt TAIGA GOLD maßgeblich finanziell gefördert.
Text
Veronika Helfmeyer
PASCH-Guides
Frau Olga Bucharowa, Projektleiterin am Lyzeum Nr. 3 in Irkutsk
Frau Renate Klupp, Lehrerin, Realschule Traunreut
Frau Veronika Helfmeyer, Lehrerin, Realschule Traunreut
Herr Pedro May, Lehrer, Realschule Traunreut
Detailierter Reiseplan
Travel agenda – TAIGA GOLD # Schülerpraktikum Holzhausbau, Holzwirtschaft Sibirien (Update 13.02.15)
Öffentlichkeitsarbeit – Pressemedien
Hier finden Sie eine Auswahl der Medienberichte zum berufsorientierenden Schulprojekt TAIGA GOLD im Jahr 2015.
Netzwerk, Sponsoren & Support
– Stadtverwaltung Irkusk, Russische Föderation
– Mineralölkonzern BP
– Lyzeum Nr. 3 in Irkutsk, Russische Föderation
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